Starkregen und Lindenblüte

sagt mal:
habt ihr auch den eindruck, der starkregen (23.6) könnte fast die ganzen lindenblüten weggeballert haben (zumindest hier in berlin)?

hier in der llinde direkt vor dem haus hats gerade einzwei tage vorher angefangen mit der blüte. das deckt sich mit dem, was der DWD als durchschnittswert für den blühbeginn der sommer-linde beobachtet.


und jetzt sehe ich in der linde keine einzige blüte mehr.

heute hab ich eine biene beobachtet, wie sie zwischen den blättern hin- und hergeflogen ist und irgendwann auf einem sitzen blieb. vom balkon aus konnte ich nicht erkennen, ob sie nur ein päuschen macht oder blattlaussaft schleckt. eine blüte hat sie auf jeden fall nicht gefunden.

und gewichtseffekte, wie sie sich ja mal langsam angesichts dieser massentracht niederschlagen sollten, an einem tag mit perfektem sammelwetter wie heute z.b., hab ich auch keine zu verzeichnen (vgl. dashboard).

wenn es so wäre (blüten weggeballert), dann wäre ja die frage: wars das jetzt? (@clemens hat das trachtende 2019 hier ja sehr schön dokumentiert nachträglich) oder kommt da nochmal was? wilden wein noch abwarten und dann ernten? wie haltet ihrs?

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In der Tabelle oben ist der Blühbeginn der Sommerlinde Anfang Juni, langjähriges Mittel 13.06. (wie viel muss da aufgeblüht sein?), dieses Jahr angeblich der 21.06. Das kommt mir zu spät vor, ggf. auch nur Einzelwerte weil ausgegraut?? Die Sommerlinde ist früher dran als die Winterlinde. Wäre auch mal spannend, wie lange die Linde noch phänologisch blüht, aber keine effektive Trachtpflanze mehr ist.

Interessant für die Frage könnten auch die Trachtnetdaten sein:

In Berlin war 2022 das globale Trachtmaxima für das Jahr am 2. Juli 2022, ab da ging es nur noch rückwärts, das wäre also eh in ca. einer Woche – mit oder ohne Regen (Basis dafür: 15 Waagen):

Im Vergleich dazu schaut der bisherige Verlauf für 2023 in Berlin so aus:

Wenn wir auf die letzten Tage reinzoomen und uns parallel die Gesamt-Daten von Deutschland ansehen, sehen wir ein Maximum am Donnerstag, den 22.06. und danach zwei Tage leichte Abnahmen, was deine These oben bestätigen könnte. Von Samstag auf Sonntag waren es aber nur noch 50 g Abnahmen. Da könnte also schon wieder was reinkommen!

Hier zum Vergleich die Daten von Bayern, da gibt es etwas mehr Datenmaterial, nämlich basierend auf 116 Waagen. Auch dort eine stärkere Abnahmen, aber auch da stabilisieren auch die Werte danach wieder:

Wir kennen ein abruptes Trachtende von der Robinie bei Starkregen in Berlin. Da werden die Blüten durch die Regentropfen regelrecht abgeschossen und danach ist der Nektarfluss auch vorbei. Klassisch ist das ganze ebenfalls bei Honigtautrachten. Da können Starkregenereignisse die Läuse mit dem Honigtau plötzlich abwaschen, was dann irreversibel ist. Die Läuse liegen am Boden und können nicht weiter an den Siebröhren der Bäume saugen. Die Tracht ist für dieses Jahr zu Ende. Das was u.a. auch ein Grund warum Menschen Bienenwaagen entwickelt haben!

Lindentracht ist etwas komplexer, oder spannender! Sie kann aus dem Nektar der Blüten bestehen, aber auch aus extrafloralen Nektarien und auch aus Honigtau wenn sich Läuse auf den Blättern befinden. Ein Gewitterregen kann durchaus die Honigtauerzeuger abwaschen und so für ein Trachtende sorgen. auch der auf den Blättern vorhandene Nektar der extrafloralen Nektarien wäre dahin. Allerdings honigen die ja nach dem Regen weiter, mit frischem Wasser ggf. sogar besser als vorher in der Hitze. Da könnte also wieder was kommen. Bei den Blüten wird es schwierig, wenn die noch stabil genug waren und der Regen nicht zu stark, werden die nochmal honigen. Wenn allerdings eh das Ende schon bevorstand (2022 war Trachtende ca. in einer Woche) und die Blüten schon instabil und am abblühen waren, könnte der Regen ihnen schon jetzt den Rest gegeben haben und das war es dann auch mit der Linde 2023.

Ich habe heute in unserer Linde im Garten am östlichen Rand von Berlin auch keine Bienen mehr gesehen. Allerdings ist das keine Winterlinde, sondern eine Krimlinde, die auch früher verblüht. Winterlinden sind normalerweise die, die am spätesten im Jahresverlauf blühen.

Ich würde die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben und die nächsten Tage nochmal die Waage(n) beobachten. Da sich die Daten der letzten Tage eher stabilisieren und nicht kontinuierlich abnehmen denke ich, dass sich noch etwas tun wird und wir bei warmem Wetter die nächsten Tage noch Zunahmen beobachten werden. Lange wird es aber nicht sein, da – mit oder ohne Regen – das Trachtende der Linde sowieso in einer Woche da sein wird.

Super ungewöhnlich wäre ein Trachtende jetzt auch nicht, 2019 war am 26. Juni Schluss (allerdings nur 4 Waagen Datenbasis) und auch die letzte Jahre war Anfang Juli das Maximum erreicht. Subjektiv habe ich aber den Eindruck, dass mit den heißen Sommern und dem Klimawandel sich auch dieser Zeitpunkt nach vorne geschoben hat und vor 10 Jahren “gefühlt” doch eher Mitte Juli war.

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vielen dank für den ausführlichen und lehrreichen verweis auf trachtnet.
liefern dort auch hiveeyes-waagen daten, bzw. hat sich da was getan seit feb 22? wahrscheinlich nicht, hätte sich ja sicher hier im entsprechenden thema begeisterung breit gemacht…

wenns um den erntezeitpunkt für die bienenkiste geht, dann ist auch noch das vorhandensein von brut im honigraum ein kriterium (das wollte ich mir selber noch nachtragen):

“Im Mai und Juni dehnen die Bienen ihr Brutnest weit aus und benutzen teilweise auch die Waben im hinteren Bereich. Erst nach der Sommersonnenwende (Ende Juni) oder nachdem das Volk geschwärmt ist, geht das Brutnest wieder zurück.” quelle: bienenkiste.de

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Bei uns kann ich Entwarnung geben, heute summt unsere Linde wieder und ganz unten sind auch noch geschlossen Blüten, denen der Regen nichts antun konnte:

Lindenblüte (Krimlinde?) Berlin Fern-Ost, 26. Juni 2023

PlantNet sagt übrigens es sei mit ca. 30 % eine Winterlinde. Vom Blühzeitpunkt passt das aber nicht ganz.

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Nun, 4 Tage später, sind auch bei den unteren Blütendolden die ersten Einzelblüten offen:

Lindenblüte Berlin Fern-Ost, 30. Juni 2023

Auch bei Trachtnet gibt es für die Berliner Waagen einen, zwar gebremsten, aber immer noch vorhandenen Aufwärtstrend mit sichtbaren temporären Einbrüchen an den Regentagen.

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lieber clemens, vielen dank für deine photoreportagen!
ich bin auf der basis die letzten tage mit offeneren augen hier durch die straßen gelaufen: es muss an den unterschiedlichen linden-arten liegen. die einen stehen in blüte (und zwar verschiedene teile des baums in verschiedenen stadien - wie auch von dir beschrieben -, dadurch entschärft sich die “wegballer”-problematik bei starkem regen), die anderen gar nicht: verwirren mich stattdessen mit samenansätzen, die noch so klein sind, dass ich sie auf den ersten blick für knospen halte. erschwerend kommt hinzu, dass ich die verschiedenen linden-arten leider noch nicht auf anhieb auseinanderhalten kann. daran werde ich arbeiten. denn die linde dominiert hier schon das straßenbild…

die waage zeigt auch bei mir, dass da noch was zu holen sein muss, es geht nach wie vor leicht aufwärts. bei der grünen sogar recht deutlich.

btw (und vielleicht wär das sogar ein neuer phänologie-thread, mal sehen): beim blick auf die waage fällt mir in den letzten zwei tagen und heute ein frühmorgendlicher massenausflug bei morgendämmerung auf, siehe z.b. für gestern an der roten markierung im screenshot:

hast du da eine idee, wohin sie da fliegen?

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Das sieht man häufig am Morgen. - 500 g, d.h. 5000 Bienen starten da in die Frühschicht oder zum Morgenausflug. :-) Weiß nicht, ob da die Linde schon honigt, könnte ich mir aber vorstellen. Oder Wasser holen, und schauen, ob schon was blüht! Da das Gewicht unmittelbar danach aber steil nach oben geht, ist es Trachtflug.

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Lieber Clemens, das sind auch meine Beobachtungen, die ich teile. Leider muss ich mich auch noch mehr mit der oder besser den Lindensorten beschäftigen, weil ich einfach noch viel zu wenig Wissen darüber habe. In Lichterfelde im Tietzenweg bei uns ist von den Linden wahnsinnig viel Material runtergefallen. Es handelt sich offenbar um die Sommerlinde. Die Blätter werden sogar schon gelbbraun, am Wassermangel der letzten Wochen liegt es wohl nicht, oder?
Auf der Fahrt nach Wensickendorf über Oranienburg fallen mir die Hunderten Lindenbäume an der Straße zu der B273 auf, die noch voll in Blüte stehen und da ist noch nichts runtergefallen. Offenbar eine Winterlinde, die später blüht.
An meinen Aufzeichnungen unserer Bienenwaage scheint die Lindentracht noch weiterzugehen, aber spärlicher!


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is aber auch nich einfach:

Die Unterschiede von Winterlinde zur Sommerlinde sind fließend, da die beiden Arten bastardisieren (Holländische Linde). Die Laubblätter der Winterlinde sind im Durchschnitt kleiner als bei der Sommerlinde. Die Blattunterseite ist blaugrün (Sommerlinde: hellgrün; Holländische Linde: blassgrün), mit rostroten Haarbüscheln an den Aderverzweigungen. Bei der Sommerlinde sind die Adern unterseits komplett weißlich oder gelblich behaart. Die reifen Nüsschen der Winterlinde sind beim Zerdrücken weich (bei der Sommerlinde hart). Bei Holländischen Linden mischen sich diese Eigenschaften. [Quelle, Herv. mois]

Blühreihenfolge - wie zu erwarten - zuerst die Sommerlinde, dann die Holländische auf jeden Fall vor der Winterlinde (siehe jeweils unter “generative Merkmale” in den Wikipedia-Artikeln).

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Bei mir blüht heute (10. Juli) immer noch die Linde:

Je nach Lindenart liegt aber auch schon viel Material der Blüten am Boden, wie etwa hier in Berlin - Lichterfelde. Danke an @peterthiemer für das Foto!

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Wow, das ist aber wirklich mal ein Riesenhaufen mit Blüten. Auf wieviele Bäume geht das da ca zurück @peterthiemer ? Bei uns fällt es jetzt bis zum Laubfall kontinuierlich ab, aber niemals so viel in kurzer Zeit.

Das waren 5-6 Lindenbäume der größeren bis zu 3 Stockwerke hoch. Bei uns im Tietzenweg am Hindenburgdamm entstanden ca. aller 10 Autos derartige Berge. In der Tat dieses Jahr wohl sehr extrem.

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Hallo Clemens
Wie hast Du die obigen Grafiken zu aufsummierten Gewichtsveränderungen von diversen Waagen in Berlin, Bayern bzw. der BRD erstellt?

Diese visualisierten Angaben sind nämlich von zentraler Bedeutung in meiner Tätigkeit im Insektenbündnis Hannover, um hier für Pflanzungen und Aussaaten zu werben, die im Juli blühen.

Bisher wird ja auch im Booklet „Bienen füttern“ alles an Pflanzen aufgelistet was irgendwann mal gut Pollen und Nektar bereitstellt.
Aber mein Credo ohne bisherigen Wiederhall, dass wir keine weiteren Apfelbäume zur Rettung der Bienen pflanzen sollen, obwohl diese Baumart wegen Nektar und Pollenwert 4 immer am beliebtesten ist, das erhört einfach niemand.
Denn in den Grünflächen-Verwaltungen ist der Trachtmangel nach der Lindenblüte bisher unbekannt.

Wir brauchen also mehr Grafiken wie die hier oben im Thread, und wir müssen damit für den Erhalt bzw. den Neuaufbau der Sommertracht werben.

Zumal die Frühtracht oft durch Schwarmdusel verloren geht und eine Tracht im Juli und August den ganzen Imkeralltag entspannen würde.

Magst Du mich mal direkt kontaktieren unter
muench@apiculture.de
um mir zu helfen weitere derartige Grafiken als Argumentationshilfe zu erstellen?
Möchte solche Grafiken gerne in Postern und Infoblättern verwenden, die dann mein hiesiger Verein publiziert.

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Hartmut / @HartmutMuench die Grafiken habe ich wie oben geschrieben aus den Trachtnet-Daten generiert:

Versuche es einfach selbst einmal, die Oberfläche ist selbsterklärend und man kann auch pro Feld mehrere Punkte auswählen, zuerst z.B. Berlin und dann nochmal klicken und Bayern wählen oder zusätzlich zu einem Bundesland noch einen Landkreis oder auch eine oder mehrere Einzelwaagen! Das ist erfreulich flexibel!

Leider sind die Bienenwaagen bei trachtnet sehr unterschiedlich über Deutschland verteilt, das Projekt wurde in Rheinland-Pfalz und Bayern gestartet, daher gibt es deutlich mehr Waagen im Westen der Republik.

Wenn ich über den Link oben bei Landkreis nach Hannover suche spuckt mir das System keine einzige Waage aus (Zeitangabe auch testewise ändern, z.B. 2011 bis aktuell). Schau’ doch mal, ob bei den Landkreisen um Hannover herum die Trefferrate höher ist. Aber selbst bei Regierungsbezirk gibt es nur 3 Waagevölker. Erst bei ganz Niedersachsen wird es etwas mehr:

(jetzt auch mit Quellenangabe in der Grafik!)

Da die Unterschiede – hier z.B. Niedersachsen, Berlin, Deutschland, die paar Völker in Hannover – ja nicht groß sind und der Verlauf in ganz Deutschland ähnlich ist, reicht ggf. auch eine Grafik von Niedersachsen, um die Trachtlücke nach der Linde zu dokumentieren:

Wenn es zu wenige Waagen werden, wie hier bei Hannover, muss man auch aufpassen, ggf. gehören die drei Völker einem Imker oder einer Imkerin und der HR wurde erst im August weggenommen, da muss man dann bei der Interpretation aufpassen.

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Hallo Clemens
Tatsächlich habe ich doch jetzt zumindest schon deutlich mehr als drei Waagen bei Trachtnet freigegeben, da muss also was schief laufen.

Viele Grüße
Hartmut

Nochmal zur Konkretisierung: Trachtnet hat nichts mit BeeObserver oder Hiveeyes zu tun, sie unterstützen leider keine “selbstgebauten” Waagen, die Argumentation ist u.a. auch eine technisch etwas veraltete Implementierung der Datenannahme:

https://www.bienenkunde.rlp.de/Bienenkunde/Trachtnet/Haeufig-gestellte-Fragen

Kann ich eine selbst gebaute elektronische Waage ins TrachtNet einbinden?

  • Im Moment noch nicht, da der Datentransfer serverbasiert erfolgt, d.h. zum TrachtNet kompatible Waagen senden ihre Messwerte zunächst auf den Server des jeweiligen Waagenanbieters. Von dort werden Sie gebündelt mehrmals täglich auf den Server des TrachtNets übermittelt. Einzellösungen können wir derzeit aufgrund des sehr hohen manuellen Organisationsaufwandes leider nicht umsetzen.

Sprich, es gibt keine moderne API, was das Leben in einem verteilten System natürlich etwas mühselig und arbeitsaufwändig macht.

Waagen von Wolf werden unterstützt, vielleicht Capaz. Von welchem Hersteller hast du Waagen bei Trachtnet registriert, oder war es nicht Trachtnet?