Monographie: Imkereigeschichte

Hatten wir den schon hier (ich finde nichts dergleichen)?

Rainer Stripf: Honig für das Volk. Geschichte der Imkerei in Deutschland, Ferdinand Schöningh (Paderborn) 2019.

In seinem Schlusskapitel über den Boom der Stadtimkerei schrammt er ganz knapp an der Erwähnung der Techno-Imkerei vorbei. Ansonsten ein geradezu enzyklopädisches Werk über Organisierung, Technikentwicklung, Wechselwirkung von Politik und Imkerei und Bienenideologie über die Epochen hinweg. Und weil die Imkerei immer in einen Wechselwirkungszusammenhang gesetzt wird, wird vielleicht sogar die schräge Ein- und Abgrenzung auf Deutschland dem eigentlichen Gegenstand, der Imkerei, halbwegs gerecht. Ist halt offensichtlich nach wie vor üblich bei den Historikern: Nationalgeschichtsschreibung, auch als negative bzw. kritische.

Vorwort

Die Geschichte der Imkerei in Deutschland beginnt 1871 mit der Proklamation des Preußenkönigs Wilhelm I. Zum Deutschen Kaiser. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wurde das Deutsche Kaiserreich ausgerufen. Es begann eine faszinierende Wandlungsepoche, in der sich der Übergang Deutschlands vom Agrar- zum Industriestaat vollzog, die aber auch von politischen Verwerfungen gekennzeichnet war. Der Zusammenbruch der Monarchie in Deutschland im Jahre 1918 geht einher mit dem Ende des schrecklichen Ersten Weltkriegs. Für die Bienenzüchter in Deutschland stellte das neu geformte Kaiserreich nicht sogleich ein Wendepunkt im Hinblick auf ihre gesamtstaatliche Organisation dar, vielmehr befanden sie sich in einem Entwicklungsfluss. Dieser nahm insbesondere seinen Ausgang seit etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts, und es ging noch etwa ein halbes Jahrhundert ins Land, bis sich ein „Deutscher Imkerbund“ formierte. Dennoch gab das Jahr 1871 der Imkerschaft einen politischen Impuls, der allerdings noch nicht in einen Zusammenschluss münden sollte.

Für das bessere Verständnis der Entwicklung des Bienenzuchtwesens in Deutschland wird daher mit einem Rückblick begonnen. Dieser beschreibt bahnbrechende Erfindungen innerhalb der Imkerei, neue Imkermethoden und herausfordernde Beobachtungen an den Bienen. In der Folge bildeten sich lokale Zusammenschlüsse von Imkern, Imkervereine und Bienenzeitungen. Deutsches Kaiserreich und Erster Weltkrieg stellen eine Epoche dar, die facettenreich vor Augen führt, wie die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit dem Milieu der Imker in Wechselwirkung standen. Die politischen Verhältnisse nach der Revolution änderten sich noch mehrfach. Sie stellten jeweils neue große Herausforderung für die Imker dar und brachten neue Wechselwirkungen zwischen dem jeweiligen politischen System und der Bienenzucht hervor. So folgte der Monarchie die Demokratie und schließlich die nationalsozialistische Diktatur. Den unterschiedlichen politischen Systemen Deutsches Kaiserreich (1871–1918), Weimarer Republik (1918–1933) und Nationalsozialismus (1933–1945) werden daher in diesem Buch ausführliche Darstellungen der Bienenzucht gewidmet. Ein Ausblick insbesondere in das erste Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg soll die Entwicklungen der Bienenzucht in Ost und West näher beleuchten. Wichtige Entwicklungslinien bis heute werden aufgegriffen: beispielsweise das Auftreten der Varroa-Milbe und das „Bienensterben“ bis hin zum Boom des „urbanen Imkerns“.

Als zentrale und wichtige Quellen wurden insbesondere Bienenzeitschriften, Sonderdrucke und Bienenbücher aus Archivbeständen herangezogen. Bienenzeitschriften vermitteln das authentischste Bild der Denkweisen im kleinbürgerlichen Milieu der Bienenzucht. Die Gründe hierfür sind vielfältig: In Bienenzeitschriften

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konzentrieren sich politische und wirtschaftliche Probleme, wissenschaftliche und imkerliche Neuerungen der Zeit, es werden Auseinandersetzungen um imkerliche Methoden und andere Themen ungeschminkt präsentiert, teilweise persönlich ausgetragen, es stehen wissenschaftliche Publikationen neben Veröffentlichungen aus der Imkerpraxis, Wissen, Meinungen und ideologische Vorstellungen werden transportiert und nicht zuletzt profilieren sich in den Zeitschriften die Protagonisten der Bienenzucht in unverkennbarer Weise. Ergänzend wurden Archivalien des Bundesarchivs Berlin herangezogen.

Seit der Antike hat die Honigbiene den Menschen nicht nur mit ihren nahrhaften Produkten versorgt, sondern wie kaum ein anderes Lebewesen auch seine Phantasie angeregt. Durch alle Epochen fand die Einzigartigkeit dieses Tieres in metaphorische und biologistische Vergleiche nahezu ohne Unterbrechung Eingang. Der Bienenstaat diente seit jeher als vereinfachtes Modell, das geeignet war, komplexe Staatsformen und Regierungspraktiken metaphorisch aufleuchten zu lassen. Das Buch beschreibt daher auch, welche Bienenmetaphern im Allgemeinen sowie zur Vermittlung von bestimmten zeitbedingten gesellschaftspolitischen und ideologischen Vorstellungen in den jeweiligen Epochen verwendet wurden.

Von besonderem Interesse sind die Einflüsse deutsch-völkischer und nationalistisch geprägter Vorstellungen in der „völkischen Bewegung“, die sich insbesondere seit dem Ende des 19. Jahrhunderts (im „Fin de Siècle“, etwa ab 1890) bis Mitte des 20. Jahrhunderts (bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges, 1945) auf die Bienenzucht in Deutschland ergaben. Es wird nicht nur nachgespürt, auf welche Weise völkisch-nationalistisches Gedankengut epochenabhängig transportiert wurde, sondern auch, welche herausragenden Personen Träger dieses Gedankenguts waren oder sein Opfer wurden und wie sich die jeweilige wirtschaftliche und politische Situation auf die Imkerei und die damit verbundene völkisch-nationalistische Ideologie auswirkte.

Bei der Recherche und beim Schreibens dieses Buches haben mich einige Personen in wissenschaftlichen Diskussionen, persönlichen Gesprächen, Ratschlägen und Ermunterungen sehr unterstützt. Herrn Prof. Dr. Wolfgang Uwe Eckart möchte ich in erster Linie für seine konstruktive, ermutigende Förderung, für anregende Gespräche, neue Denkanstöße und große Hilfsbereitschaft danken. Ein besonderer Dank geht auch an Frau Prof. Dr. Bettina Alavi für ihre motivierende Unterstützung und wissenschaftlichen Anregungen. Ganz besonders danke ich dem Leiter des Privatwissenschaftlichen Archivs Bienenkunde in Landau, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Stever, für die vertrauensvollen Recherchemöglichkeiten in seinem Archiv, für seine freundliche und hilfsbereite Unterstützung und anregende Gespräche. Schließlich danke ich dem Verlag Ferdinand Schöningh, besonders Herrn Dr. Diethard Sawicki, für sein großes Interesse an diesem Buch und seine stetige Ermunterung.

Rainer Stripf

Heidelberg, am 1. Februar 2019