Halb Arbeiterin, halb Drohn ... ein viertes Wesen im Bien

Eine Beobachtung der letzten Saison möchte ich erwähnen: bei einer Durchsicht fiel mir ein Tier auf, das ich beim ersten flüchtigen Hinsehen für eine Schwebfliege hielt (aufgrund der ungewöhnlichen Hinterleibszeichnung), dann aber schnell klar wurde, daß diese Biene hier (A. mellifera) sowohl Arbeiterin als auch Drohn gleichzeitig ist.

Es handelt sich um einen Gynander (wp), genauer, um einen ‘bilateralen Gynander’, ein Organismus, bei dem männliche sowie weibliche Zellen gleichzeitig pro Körperhälfte vorhanden sind.

Dieses Tier weist spezifische Merkmale einer Arbeiterin auf der linken Seite auf, während die rechte Seite ein Drohn ist. Ausnahme war hier die Brust, die von beiden Seiten einem Drohn entspricht.

Durch die Ausprägung des rechten Hinterbeins (‘Drohnen-Seite’) wurde dieses auch eher ‘hinterhergezogen’ beim Laufen, wie man es von Drohnen kennt. Da das Bein gegenüber geschickter lief, hatte das ganze Tier einen recht wackeligen Gang. Die Flügel waren symmetrisch entwickelt, ob das Tier allerdings fliegen konnte, wurde nicht beobachtet: zumindest versuchte es zu keinem Zeitpunkt zu fliegen.

Am aufälligsten neben der Hinterleibszeichnung sind die verschieden großen Augen; der Kiefer ist nur auf der Arbeiterinnen-Seite ausgebildet:

Der Hinterleib zeigt nicht nur eine ungewöhnliche Zeichnung, sondern diese ist auch noch scharf abgegrenzt zwischen den Körperhälften:

Auch die Form der Hinterleibssegmente der Unterseite sowie deren Überlappungen scheint mittig abgegrenzt verschieden:


Das Thema wird wissenschaftlich schon eine Weile bearbeitet: die zweit-älteste Schrift dazu scheint von Boveri von 1914/1915 (“Über die Entstehung der Eugsterschen Zwitterbienen” https://www.biozentrum.uni-wuerzburg.de/fileadmin/07020100/2018/Downloads_PDF/Boveri_1915.pdf), und die älteste scheint Siebold zu sein, “Ueber Zwitterbienen” von 1864.

kleine Auswahl weiterer Artikel sowie einiger wissenschaftlicher papers zu dem Themenkomplex:

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Tolle Aufnahmen und ein sehr seltenes Natur-Spektakel! Im National Geographic-Link steht etwas interessantes zur Genese deiner Biene:

Wenn die Biene ein Halbseiten-Hermaphrodit wäre – mehr oder weniger in der Mitte gespalten, mit männlichen Merkmalen auf der einen Seite des Körpers und weiblichen auf der anderen –, dann wäre es wahrscheinlich, dass sich das Ei gespalten hat, bevor es befruchtet wurde, sagt Tarpy.